Der Zauberspiegel

Es war einmal ein Junge und ein Mädchen
die lebten innem wunderschönen Städtchen
Sie liebten sich gar inniglich und sehr
und liefen täglich nebeneinander her.
Doch eines Tages kam die Abschiedsstunde
Die Nachricht machte schnell die große Runde:
Das Mädchen zieht in eine andre Stadt
Der Junge hörts und schluckt – Gesicht bleibt glatt.
Erst viele Monde später forschte er
Wo denn das Mädchen abgeblieben wär
Ne Stadt umringt von einem breiten Fluss
so dass, wer hin will, einfach schwimmen muss.
Der Junge konnte überhaupt nicht schwimmen
Und träumte einen Alptraum, einen schlimmen
So gab er dann den Plan zum Reisen auf
und ließ dem Leben seinen graden Lauf.
Doch eines Tags traf er auf grader Straße
Ne alte Weise mit ner großen Nase
sie lockte die Geschicht ihm aus dem Munde
Und gab sogleich ihm eine Schwimm-Lehr-Stunde.
Doch eiderdaus, was sie noch nie erlebt:
Der Junge kann nicht lernen! Er erbebt
vor Angst und weigert sich, den Schritt zu gehn
Die eigne Anfängerschaft einzusehn.
Die Alte dachte darauf lange nach
bis endlich die Erkenntnis Bahn sich brach:
Zum Lernen braucht man ein Gefühl der Stärke
Denn sonst ist zu viel „Kann ich nicht!“ am Werke.
Sie zauberte nen Zauberspiegel her
(Das war für sie jetzt nicht besonders schwer)
Und wer hineinschaut, der erkennt geschwind
was seine menschlichen Vorzüge sind.
Den Spiegel schenkte sie dem Jungen dann
Und kaum hineingeschaut – ein stolzer Mann,
der selbstverständlich schwimmen lernen kann
und dann ist bald auch schon die Reise dran.
Er schwamm hinüber in des Mädchens Land
Dasselbe stand schon winkend dort am Strand
Sie heirateten sich am selben Tag
Dies glaube einfach der, der´s glauben mag.


Nov 2021